Orvuse On Oanwe

Die letzten ihrer Art
Artikel von Katrin Baumer

Luise Wagners Stimme ist gebrochen – die typische Singstimme einer Frau, die eigentlich zu alt ist, um noch eine zu haben. Singen scheint sie anzustrengen, vor allem die hohen Töne. Früher war das nicht so, da war es ihr Leben. Luise Wagner ist eine Wienerlied-Sängerin und zwar eine ganz besondere: Sie kann dudeln.

Der Film Orvuse on Oanwe von Christina Zurbrügg ist ein Dokument der eigenen Musiksprache einer Stadt, die fast schon der Vergangenheit angehört: das Wienerlied und das Dudeln – eine Wiener Variante des Jodelns. Im Zentrum des Films stehen die drei Dudlerinnen Trude Mally, Poldi Debeljak und Luise Wagner. Sie erzählen ihre persönlichen Geschichten, alle geprägt von der Liebe zum Gesang und gleichzeitig eine Reise durch die Vergangenheit, gezeichnet von Krieg, Umbruch und Schicksalsschlägen.

Orvuse on Oanwe besticht als außergewöhnlicher Stilmix, der Collage-Elemente, alte Fotos, Film- und Zeitungsausschnitte mit Interview-Sequenzen mischt, die Bilder teilweise von absurder Komik, teilweise durch ihre Schlichtheit bewegend. Die Regisseurin Christina Zurbrügg bearbeitet ein traditionelles Thema modern und artifiziell, treibt die Handlung voran, ohne sich zu lange an einem Punkt aufzuhalten.

Und mittendrin sitzen die alten Dudlerinnen, die Grand Dames des Wiener Volkslieds. Zwischen all den Fotos und Zeichnungen, die Lebensgeschichten dokumentieren, verweilt die Kamera auf der einzelnen Person und lässt sie erzählen. Hier wird stilistisch kontrastiert und der Fokus auf die Frauen gelegt, die vom Tanzen und Lieben berichten, vom Jung- und Ausgelassen-Sein, aber auch von Trauer und Verlust. Alles, was sie erzählen, ist vom Gesang geprägt. „Mein Mann hat mich geliebt, weil ich so schön hab singen können“, sagt Poldi. Und Luise dachte nicht, dass sie je wieder singen kann, nachdem ihre Mutter bei einem Angriff im Krieg gestorben ist.

Aber irgendwann ist der Krieg vorbei, die Trümmer sind weggeräumt und Trude und Luise musizieren doch wieder, von da an professionell als die „Zwei Zeiserln“.

Es rührt an, wenn die beiden alten Damen Trude und Luise nebeneinander sitzen – immer eine Schüssel Pombären und gefüllte Weingläser vor sich – in die Kamera lächeln und allerlei Schwänke aus ihrem Leben erzählen, Bis Luise sich irgendwann direkt an Trude wendet und stolz lächelnd erklärt, sie habe ein neues Wort erfunden für die Kunst des Dudelns: „Alpenkoloratur“. Orvuse On Oanwe SAMSTAG 14.09.2013 im Das Kino

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