Eisenwurzen – A Mountain Musical

Von Köhlern, Wilderern und Grubenarbeitern
Artikel von Katrin Baumer

Zwei alte Männer auf einem Sofa, der eine hat eine steirische Harmonika auf dem Schoß. „Probier ma eins“ sagt er zum anderen und beginnt ein paar Takte auf dem Instrument zu spielen. Er kann nicht, sagt der andere, er würde ja wollen, aber er kann nicht. Das, was sie probieren wollen, ist ein Volkslied. Davon gibt es viele in Eva Eckerts gesungenem Dokumentarfilm Eisenwurzen – A Mountain Musical.

Die Eisenwurzen ist eine Region im Länderdreieck Niederösterreich, Oberösterreich und Steiermark. Zentrum ist der Erzberg – und um den dreht sich der Film, nähert sich ihm über 52 Minuten in verwaschenen Farben immer weiter an und hält inne bei den alten Bewohnern der ländlichen Region. Und die singen. Sie besingen mit überraschend kräftigen Stimmen ihre Lust, ihre Sehnsucht und ihre Arbeit: als Bauern, Berg- und Industriearbeiter oder auch Wilderer.

Es sind einfache Volkslieder, die die Musiker zum besten geben, a capella, oft mehrstimmig. „Früher hat’s ja nur singen geb’n, weil nichts anderes hat’s ja eh net geb’n. Irgend a Harmonie oder was, des hat sich niemand kaufen können“, kommt eine alte Frau zu Wort – die Protagonisten bleiben namenlos und präsentieren doch ganz eigene Persönlichkeiten, allesamt von einem Umfeld aus Stallarbeit und Erz, von Lust und Leid ihrer Vergangenheit geprägt.

„Eisenwurzen“ ist eine skurrile Hommage an die Volksmusik. Eine Volksmusik, die tatsächlich vom Volke kommt. Von den Arbeitern, den Bauern, den Knechten. Eine Volksmusik, die noch nicht durch den Fleischwolf der Kulturindustrie gedreht wurde, die noch nicht zur Volkstümelei weichgewaschen wurde und die so roh, hart und zum Teil direkt avantgardistisch klingt, dass sie kaum eine Projektionsfläche für natursehnsüchtige Städter bildet.

Surreal und hyperrealistisch zugleich sind die Szenen, die Regisseurin Eckert einfängt. Da läuft ein Gemeinderat als Wilderer verkleidet durch den Wald, eine alte Dame besingt ihr totes Kind, ein rußgeschwärzter Köhler singt seinen Working-Song und die Arbeiter der Stahlhütten marschieren auf mit Stolz geschwellter Brust.

Wenn die Kamera aber schließlich den Erzberg erreicht und ankommt bei einem verlassenen Hüttendorf, das, teils durch den Tod der Bewohner, teils durch Abwanderung, zur Geisterstadt geworden ist, wird dem Zuschauer schmerzlich bewusst, dass es hier eigentlich um eine Zeit geht, die es schon lang nicht mehr gibt. Und so ist die Begegnung mit einem Mann, der alte Werkzeuge aus den Häusern zusammensucht und in einer Art Museum sammelt, symptomatisch. „Solange irgendwelche alten Gegenstände gefunden werden, wird mit der Sammlung nie Schluss sein“, sagt er. Und so ist es wohl auch mit den alten Liedern.
Eisenwurzen – A Mountain Musical SAMSTAG 14.09.2013 im Das Kino

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